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Bibliotheca Historica
- Cap. 57-70 -
Sesoosis ließ ferner viele große Hügel aufwerfen, auf welche er dann die Städte, die nicht von Anfang schon bei den Ueberschwemmungen Menschen und Vieh sichere Zufluchtsörter hätten. In der ganzen Gegend von Memphis bis an's führte er vom Flusse aus zahlreiche Kanäle, damit durch wechselseitigen Verkehr an allen Orten der Wohlstand der Einwohner erhöht, damit die Früchte schneller und leichter hergeführt werden könnten, und damit durch wechselseitigen Verkehr an allen Orten der Wohlstand der Einwohner erhöht, und Genüsse jeder Art in reichem Maße bereitet würden, Der wichtigste Gewinn ist aber der Scchutz gegen feindliche Einfälle, denen dadurch ein Hinderniß in den Weg gelegt ist. Statt daß nämlich früher die herrliche Gegend von Aegypten jedem Angriff von Rossen und Wagen beinahe ganz blosgestellt war, ist von jener Zeit an durch die Meenge der mit dem Fluß verbundenen Kanäle das Eindringen sehr erschwert. Die östliche Seite von Aegypten schützte der König gegen die Einfälle von Syrien und Arabien her durch eine Mauer, die er von Pelusium bis Heliopolis, durch die Wüste, führte, q500 Stadien lang, Er ließ ein Fahrzeig aus Zedernholz bauen, 280 Ellen lang, an der äussern Oberfläche vergoldet und innen versilbert; er weihte es dem Gott, welcher in Thebä vorzüglich verehrt wird. Auf zwei Obelisken aus hartem Stein, welche 120 Ellen hoch waren, setzte er eine Inschrift, worin die Größe seines Gebiets, die Summe der Einkünfte und die Zahl der überwundenen Völker angegeben war. Im Tempel des Hephästos zu Memphis stellte er aus Einem Stein gehauene 30 Ellen hohe Bildsäulen von sich seiner Gemahlin und 20 Ellen hohe von seinen Kindern auf, zum Andenken an folgende Begebenheit. Da Sesoosis, von dem großen Zuge nach Aegypten zurückkehrend, sich in Pelusium aufhielt, lud sein Bruder, der ihm nach dem Leben trachtete, ihn mit seiner Gemahlin und seinen Kindern zu einem Gastmal. Bei Nacht, als sie Alle trunken waren und schliefen, häufte er rings um das Zelt dürres Schilfrohr auf, das er schon lange bereit hatte, und zündete es an. Ds Feuer loderte schnell auf, und Die zur Bedienung des Königs bestellt waren, leisteten schlechte Hülfe; denn sie waren noch berauscht. Sesoosis flehte mit aufgehobenen Händen zu den Göttern um die Rettung seiner Kinder und seiner Gemahlin, und schlug sich durch die Flammen durch. Für diese wunderbare Errettung bezeugte er durch die vorhin genannten Weihgeschenke seinen Dank gegen die Götter, besonders aber gegen Hephästos, weil ihm durch ihn gerade die Rettung widerfahren war.
Capitel 58 / Seine übrigen Thaten und Schicksale Unter den vielen Zeichen, wodurch Sesoosis seine Größe ankündigte, ist wohl das auffallendste die Art, wie er auf seinen Reisen die Statthalter behandelte. Diejenigen Könige eroberter Länder, die er im Besitz ihrer Würde gelassen hatte, und die Statthalter der übrigen größeren Gebiete mußten zu bestimmten Zeiten nach Aegypten kommen, um Geschenke zu bringen; hier empfing sie der König sehr ehrenvoll, und zeichnete sie namentlich weit vor allen Andern aus. Wenn er hingegen in einen Tempel oder eine Stadt einziehen wollte, so ließ er die vier Pferde an seinem Wagen ausspannen, und an ihrer Stelle mußten vier von den Königen oder den andern Gebietern unter das Joch treten, Dadurch meinte er es Jedermann anschaulich zu machen, er habe die Edelsten, welche vor allen Andern die entschiedensten Vorzüge haben, überwunden, seine eigenen Vorzüge aber seyen so hoch, daß mit ihm far Niemand in Vergleichung kommen könne. Dieser König scheint es wirklich allen Machthabern, die je gelebt, in Kriegsthaten zuvorgethan, und die größten und zahlreichsten Kunstwerke und Denkmäler in Aegypten gestiftet zu haben, Nach einer 33jährigen Regierung endigte er sein Leben freiwillig, weil er das Gesicht verloren hatte. Diese That wurde nicht blos von den Priestern, sondern auch von den übrigen Aegyptern bewundert als ein würdiger Schluß eines an großen Thaten so reichen Lebens. Wie fest gegründet der Ruhm des Königs war für alle Zukunft, erhellt aus einem Vorfall, der sich viele Menschenalter später zutrug, nachdem Aegypten unter die Herrschaft der Perser gekommen war. Darius, der Vater des Xerxes, wollte in Memphis sein eigenes Bild vor das des Sesoosis stellen lassen; allein, da dieses Ansinnen an die Versammlung der Priester gebracht wurde, so widersprach der Oberpriester, mit der Erklärung, Darius habe sich durch seine Thaten noch nicht über den Sesoosis erhoben; und der König, statt zu zürnen, vielmehr über die Freimüthigkeit sich freuend, erwiderte, er werde sich bestreben, in keinem Stücke hinter Sesoosis zurück zu bleiben, wofern er eben so lang lebe; man solle nur die Thaten vergleichen, welche die Beide in demselben Lebensalter verrichtet; denn Das sey der sicherste Maßstab für die Thatkraft. Von Sesoosis mag nun genug erzählt seyn.
Von seinem Sohne, der ihm in der Regierung folgte, und auch den Namen des Vaters annahm, läßt sich keine einzige Kriegsthat noch sonst eine denkwürdige Unternehmung berichten, sondern blos ein Unglücksfall eigener Art. Er wurde des Gesichts beraubt, entweder, weil er dazu die gleiche Anlage, wie sein Vater hatte, oder, wie eine Fabel sagt, zur Strafe für die Entheiligung des Flusses, weil er einen Speer in das Wasser geworfen. Er sah sich genötigt, in seinem Unglück zur Hülfe der Götter seine Zuflucht zu nehmen; lange Zeit suchte er durch zahlreiche Opfer und Gaben die Gottheit zu versöhnen, fand aber keine Erhörung. Im zehnten Jahr endlich erhielt er eine Weissagung, welche ihn anwies, den Gott in Heliopolis zu verehren, und mit dem Wasser eines Weibes, die ihrem Manne nicht untreu geworden, das Gesicht zu waschen. Er machte den Versuch mit dem Wasser von vielen Frauen, zuert von seiner eigenen; allein er fand, daß keine treu geblieben war ausser einer Gärtnersfrau, die er dann, nachdem er geheilt war, zur Ehe nahm. Dem Gott in Heliopolis weihte er zum Dank für diese Wohlthat, dem Orakel gemäß, zwei Obelisken aus Einem Stein, 8 Ellen breit und 100 Ellen breit und 100 Ellen hoch.
Capitel 60 / Amasis. Aktisanes von Aethiopien. Die Stadt Rhinocolura. Auf diesen König folgte eine lange Reihe von Herrschern, welche nichts thaten, was der Aufzeichnung werth wäre. Viele Menschenalter später regierte der König Amasis, der sich Gewaltthätigkeiten gegen das Volk erlaubte. Er strafte viele unschuldig, beraubte manche ihres Vermögens, und begegnete überhaupt Jedermann mit Stolz und Verachtung. Eine Zeit lang ertrugen das die Bedrückten, weil sie auf keine Weise gegen die Uebermacht sich wehren konnten. Als aber der Aethiopische König Aktisanes gegen ihn zu Felde zog, da fand der Haß Gelegenheit, sich zu äußern, und die Meisten wurden abtrünnig. Daher war er leicht überwunden und nun viel Aegypten unter die Herrschaft der Aethioper. Indessen überhob sich Aktisanes seines Glückes nicht, sondern behandelte die Besiegten mit Milde. So verfuhr er auch gegen die Räuber auf eine eigene Weise, er wollte die Schuldigen nicht tödten, und doch auch nicht ganz ungestraft lassen. Er ließ nämlich aus dem ganzen Lande die Angeklagten herbeiführen, und untersuchte ihre Sache auf's gewissenhafteste; den Schuldig befundenen ließ er dann allen zusammen die Nasen abschneiden, und verwies sie an den entferntesten Ort in die Wüste, Die Stadt, die er dort für sie gründete, erhielt zum Andenken an diese Strafe ihrer Einwohner den Namen Rhinocolura. Sie liegt an der Grenze von Aegypten und Syrien, nicht weit von der Küste, die sich dort hinzieht, und hat beinahe völligen Mangel an Lebensbedürfnissen. Denn die umliegende Gegend hat einen durchaus salzigen Boden, und innerhalb der Stadt gibt es nur wenig, und zwar verdorbenes Wasser in Brunnen. Durch die Ansiedlung der Verbrecher an diesem Orte sollte verhütet werden, daß sie nicht ihre vorige Lebensart fortsetzen und das Glück der rechtlichen Bürger stören, aber auch, daß sie nicht unbemerkt unter der Menge sich verlieren könnten. Aber, wenn gleich in eine Wüste, wo es fast an allen Bedürfnissen fehlt, hinausgestoßen, wußten sie dennoch auf eine ihre Armuth entsprechende Weise sich zu nähren; denn die Natur zwingt den Menschen, gegen den Hunger auf alle möglichen Mittel zu sinnen. Das Schilfrohr, das in der Nähe wächst, schnitten sie ab und spalteten es, flochten daraus lange Netze, und spannten sie am Ufer auf eine Strecke von vielen Stadien aus, um darin die Wachteln zu fangen, die in großen Schaaren über das Meer herfliegen; so verschaffen sie sich durch Vogelstellen einen hinreichenden Vorrath von Lebensmitteln.
Capitel 61 / Mendes, Erbauer des Labyrinths Nach dem Tode dieses Königs machten sich die Aegypter wieder unabhängig, und wählten einen einheimischen König, Mendes, welchen einige auch Marrhus nennen . Er verrichtete nicht die geringste Kriegsthat, erbaute sich aber ein Grabmal, das Labyrinth genannt, das nicht sowohl seiner Größe wegen Bewunderung verdient. Als wegen der künstlichen, schwer nachzubildenten Einrichtung. Man findet nämlich, wenn man hineingeht, nicht leicht mehr den Ausgang, wofern man nicht einen ganz erfahrenen Wegweiser hat. Einige behaupten, Dädalus sey nach Aegypten gekommen, und habe mit Bewunderung den künstlichen Bau betrachtet; darauf habe er dem König Minos von Kreta ein dem Aegyptischen ähnliches Labyrinth errichtet, in welchem sich nach der Fabel der sogenannte Minotaurus aufhielt. Das kretische ist völlig verschwunden, sey es nun, daß es von einem Herrscher niedergerissen oder daß es durch die Länge der Zeit zerstört wurde; das Aegyptische aber ist in seiner ganzen Ausdehnung unversehrt erhalten bis auf unsere Zeiten.
Capitel 62 / Protheus. Remphis. Nach dieses Königs Tode hatte das Volk kein Oberhaupt fünf Menschenalter durch. Darauf wurde ein König aus niedrigem Stande gewählt, den die Aegypter Ketes nennen. Bei den Griechen wird er für den Proteus gehalten, der zur Zeit des Trojanischen Krieges lebte. Wenn von diesem die Sage erzählt, er sey der Winde kundig gewesen, und habe seine Gestalt verändert und sich bald in Thiere, bald in Bäume, oder in Feuer, oder in etwas anderes verwandelt; so stimmen damit die Nachrichten überein, welche die Priester von jenem König geben. Er habe, sagen sie, durch seinen beständigen Umgang mit den Sterndeutern jene Kentnisse sich erworben; die Fabeln der Griechen aber von den Veränderungen seiner Gestalt haben ihren Grund in einer alten Sitte der Könige; die Beherrscher von Aegypten seyen nämlich gewohnt, Gesichter von Löwen, Stieren, Drachen über den Kopf zu hängen, als Sinnbilder der Gewalt, und auf dem Kopfe bald Bäume, bald Feuer, zuweilen auch vielerlei duftendes Rauchwerk zu tragen, damit wollen sie sich ein würdiges Ausehen geben, und bei anderen Staunen und abergläubige Furcht erregen. Dem Proteus folgte in der Regierung sein Sohn Remphis (?), der seine ganze Lebenszeit der Sorge für seine Einkünfte widmete, und überallher Schätze zusammenraffte. Seine niedrige Denkart und seine Geldgier ließ ihn weder zu Ehre der Götter noch zum besten der Menschen irgend Etwas aufwenden. Er war also kein König, sondern blos ein guter Haushalter, und statt des Ruhms seiner Verdienste hinterließ er größere Reichthümer als irgend einer seiner Vorgänger. Er soll an Silber und Gold gegen 400.000 Talente zusammen gebracht haben.
Capitel 63 / Nileus. Chembes baut die erste Pyramide. Auf ihn folgt während einer Zeit von sieben Menschenalter eine Reihe ganz unthätiger Könige, die sich blos dem Vergnügen und der Wohllust überließen. Daher ist in den heiligen Urkunden weder die Ausführung eines kostspieligen Werkes noch sonst eine denkwürdige That von ihnen aufgezeichnet, ausser von dem einzigen Nileus. Dieser ist es, von dem der Fluß, der vorher Aegyptus hieß, den Namen Nil erhalten hat. Er führte sehr viele zweckmäßige Kanäle, und war eifrig bemüht, die Vortheile, welche der Nil gewährt, noch zu vermehren, das gab die Veranlassung zur Benennung des Flusses Der achte König war Chembes von Memphis, welcher 50 Jahre regierte. Er erbaute die größte der drei Pyramiden die zu den sieben merkwürdigsten Werken gerechnet werden. Man findet sie gegen Lybien hin, 120 Stadien von Memphis entfernt, und 45 vom Nil. Der Anblick der großen Massen und der kunstreichen Arbeit erregt Staunen und Bewunderung. Die größte Pyramide ist vierseitig, und jede Seite der Grundfläche mißt 700 Fuß; die Höhe aber beträgt über 600 Fuß. Die Seitenflächen werden nach und nach immer schmäler bis zum Gipfel, wo jede noch 6 Ellen breit ist. Das ganze Gebäude ist von hartem Stein, der schwer zu behauen ist, aber eine ewige Dauer hat. Denn nicht weniger als tausend (nach einigen Schriftstellern sogar über 3400) Jahren sollen [seit der Entstehung derselben] bis auf unsere Zeiten verflossen sein, und doch haben sich diese Steine bis jetzt in ihrer ursprünglichen Zusammenfügung und der ganze Bau unverwittert erhalten. Die Steine, sagt man, seyen aus weiter Entfernung von Arabien hergebracht, und der Bau durch Dämme ausgeführt worden, weil noch keine Gebewerkzeige erfunden waren. Und was das Wunderbare ist, auf dem Platz, wo ein so ungeheueres Werk erbaut ist, findet man rings umher lauter sandigen Boden, und keine Spur mehr weder von dem Damm noch vom Behauen der Steine, so daß man glauben sollte, es wäre nicht durch Menschenarbeit nach und nach entstanden, sondern die ganze Masse wäre schon fertig von einem Gott in die Sandebene gesetzt worden. Die Aegypter suchen zum Theil durch die Wundererzählung zu erklären, die Dämme haben aus Salz und Salpeter bestanden, und bei einer Ueberschwemmung sich aufgelöst im Strom, so seyen sie ganz verschwunden; und nur das Hauptgebäude sey stehen geblieben. So verhält es sich aber in der That nicht; vielmehr ist durch dieselbe Menge von Menschenhänden, wodurch die Dämme aufgeworfen waren, das ganze Gerüst wieder abgetragen und der Platz aufgeräumt worden. Es sollen 360.000 Menschen mit den Frohnarbeitern beschäftigt gewesen, und das ganze Werk kaum im Laufe von zwanzig Jahren vollendet worden seyn.
Capitel 64 / Kephren die zweite; Mycerinus die dritte. Nach dem Tode dieses Königs kam sein Bruder Kephren auf den Thron; er regierte 56 Jahre. Nach Andern wäre der Nachfolger nicht ein Bruder, sondern ein Sohn des Vorigen gewesen, Namens Chabrys. Darin aber stimmen alle Nachrichten überein, daß er, seinem Vorgänger nach eifernd, die zweite Pyramide erbaut hat, die zwar ebenso kunstvoll gebaut ist wie die erste, aber weit nicht so groß, indem jede Seite der Grundfläche nur ein Stadium beträgt. Auf der größeren ist aufgeschrieben, was der Unterhalt der Arbeiter gekostet hat (was z. B. für Gemüse und Rettig ausgegeben worden). Nach dieser Angabe hätte der ganze Aufwand über 1600 Talente betragen. Die kleinere Pyramide hat keine Inschrift. Auf einer Seite derselben ist eine Treppe eingehauen, daß man hinaufsteigen kann. Die Könige hatten sich die Pyramiden zu Grabmälern erbaut, und doch sollte keiner von beiden darin begraben werden. Dem Volke waren nämlich wegen der höchst beschwerlichen Arbeit und wegen vieler Grausamkeiten und Bedrückungen diese Könige so verhaßt, daß es drohte, mit Hohn die Leichen aus den Gräbern heraus zu reisen und zu zerfleischen. Daher gaben beide vor ihrem Tode ihren Angehörigen den Befehl, sie an einem unbekannten Ort in Stille zu begraben. Auf diesen König folgte Mycerinus (Einige nennen ihn auch Mecherinus), ein Sohn von dem Erbauer der ersten Pyramide. Er entschloß sich, eine dritte zu errichten, starb aber, noch ehe das Werk vollendet war. Jede Seite der Grundfläche machte er 300 Fuß lang, die Seitenwände ließ er bis zur fünfzehnten Reihe aus schwarzem Stein aufführen, der dem Thebaischen gleicht, was noch fehlte, wurde dann mit der Steinart ergänzt, die man zu den anderen Pyramiden gebraucht hatte. Steht gleich dieses Werk an Grpße den beiden andern nach, so zeichnet es sich doch durch einen vielkünstlicheren Bau und durch eine kostbare Steinart aus. Auf der nördlichen Seite ist der Name des Erbauers Mycerinus eingeschrieben. Dieser König, sagt man, habe die Grausamkeit seiner Vorgänger verabscheut, und sich bemüht, Jedermann freundlich zu begegnen, und der Wohlthäter seiner Unterthanen zu werden. Er habe sich immer auf alle mögliche Weise die Zuneigung des Volkes zu erwerben gesucht, und unter anderm sei öffentlichen Gerichten große Summen zu Geschenken an rechtschaffende Leute verwendet, von denen man geglaubt, sie hätten im Rechtsstreit nicht den Bescheid erhalten, den sie verdient. Es gibt noch drei andere Pyramiden, deren Seiten 200 Fuß lang sind. In der ganzen Bauart sind sie den vorigen gleich, nur nicht in der Größe. Die vorhin genannten drei Könige sollen sie für ihre Gemahlinnen erbaut haben. Diese Werke sind unstreitig die ausgezeichnetsten in ganz Ägypten, man mag auf den Umfang der Gebäude und die Kosten, oder auf die Geschicklichkeit der Künstler Rücksicht nehmen. Und man glaubt, die Baumeister verdienen sogar noch mehr Bewunderung als die Könige, welche die Kosten dazu gegeben haben; denn jene haben durch eigene Geisteskraft und rühmliche Anstrengung, Diese nur durch ererbten Reichthum und durch die Mühe Anderer zur Vollendung der Arbeit mitgewirkt. Ueber die Pyramide findet man übrigens bei den Eingebornen sowohl als bei den Geschichtsschreibern durchaus keine übereinstimmende Nachrichten. Denn einige behaupten, sie seyn von jenen drei Königen, Andere, sie seyen von Andrn gebaut. Man läßt z. B. die Größte von Armäus errichtet seyn, die zweite von Amasis, die dritte von Inaro. Nach Einigen wöre die letztere das Grabmahl einer Hetäre Rhodopis, das einige Monarchen, ihre Liebhaber, auf gemeinschaftliche Kosten errichtet hätten, um sich ihrer Gunst zu versichern.
Capitel 65 / Bocchoris. Sabaco von Aethiopien Nach den vorerwähnten Königen kam Bocchoris zur Regierung. Sein Aeusseres war ganz unansehnlich; aber an Scharfsinn und Einsichten übertraf er seine Vorgänger weit. Lange Zeit nachher wurde Sabako König von Aegypten, ein geborner Aethiopier, übrigens viel frömmer und rechtschaffener als die Frühern. Als ein Beweis seiner Milde mag es gelten, daß er unter den vom Gesetz bestimmten Strafen die härteste abschaffte, die Todesstrafe. Statt den Verurtheilten das Leben zu nehmen, legte er sie in Ketten und hielt sie zu Frohndiensten für die Städte an. Durch solche Leute ließ er viele Dämme aufwerfen, auch manche Kanäle an schicklichen Stellen graben. Er glaubte, auf diese Art das grausame Verfahren gegen die Schuldigen gemildert, und an die Stelle zweckloser Strafen einen wichtigen Gewinn für die Städte gesetzt zu haben. Seine ausgezeichnete Frömmigkeit kann man aus seinem Traumgesicht erkennen und aus seinem Entschluß, die Regierung nieder zu legen. Er hatte im Traum eine Erscheinung von dem Gott Thebä, welcher ihm sagte, er würde in Aegypten nicht glücklich und nicht lange regieren können, wenn er nicht die Priester alle zerhauen ließe, und mit seinem Gefolge mitten durch sie hinwandelte. Als die Erscheinung öfter wiederkehrte, so ließ er überallher die Priester zusammenkommen, und sagte ihnen, er würde diesen Gott beleidigen, wenn er im Lande bliebe; denn sonst hätte er ihm gewiß nicht einen solchen Befehl im Traum gegeben; lieber wolle er, rein von jeder Schuld, zurücktreten und sein Leben dem Verhängniß opfern, als den Herrn beleidigen und mit ruchlosem Mord sein Leben beflecken, um über Aegypten zu herrschen. Er trat also endlich den Eingebornen die Regierung wieder ab, und kehrte nach Aethiopien zurück.
Capitel 66 / Die Dodekarchie. Psammetich. Aegypten blieb hierauf zwei Jahre lang ohne Oberhaupt; das Volk fing Unruhen an, und die Bürger mordeten einander. Nun verschwor sich zusammen zwölf der Mächtigsten unter den Großen. Sie hielten eine Versammlung zu Memphis, verbanden sich durch einen Vertrag zu gegenseitiger Freundschaft und Treue, und erklärten sich als Könige. Fünfzehn Jahre regierten sie den eidlichen Versprechungen gemäß und bleiben einig unter einander. Sie entschlossen sich, ein gemeinsames Grabmal für Alle zu erbauen, damit, wie sie im Leben durch Freundschaft und gleiche Würde vereinigt gewesen, so auch nach ihrem Tode eine Gruft ihre Leichen umschlösse, und das Denkmal den gemeinschaftlichen Ruhm der Erbauer die da begraben lägen, verkündigte. Es sollte etwas größeres werden als alle Werke ihrer Vorgänger. Sie wählten dazu einen Platz bei der Einfahrt in den See Möris in Libyen. Das Grabmal wurde aus den schönsten Steinen gebaut. Es erhielt von unten die Gestallt eines Vierecks, dass jede Seite ein Stadium maß. In Bildhauerarbeit und andern Verzierungen konnte unmöglich von den Nachfolgern mehr geleistet werden. Innerhalb der Ringmauer war eine Halle gebaut, deren jede Seite aus 40 Säulen bestand. Die Decke war aus einem Stein, mit künstlich ausgemeiseltem Getäfel und verschiedenen bunten Gemälden. Es waren Denkwürdigkeiten aus der Heimath der einzelnen Könige und Darstellungen der dortigen Heiligthümer und Opfer in den schönsten Gemälden, mit vieler Kunst ausgeführt. Ueberhaupt, sagt man, haben die Könige das Denkmal mit so viel Kosten und nach einem so großen Maßstabe angelegt, dass sie, wenn sie nicht noch vor der Vollendung des Gebäudes gestürzt worden wären, ein unübertreffliches Werk zu Stande gebracht hätten. Nachdem sie fünfzehn Jahre lang über Aegypten regiert hatten, so ging die Herrschaft auf Einen über. Die Veranlassung war diese: Psammetich von Sais, einer der zwölf Könige, dessen Gebiet am Meer gelegen war, sorgte allen Kaufleuten für Schiffsladungen, besonders des Phöniciern und den Griechen. Indem er auf diese Art die Erzeugnisse seiner Heimath vortheilhaft absetzte, und den Griechen dagegen die Erzeugnisse ihres Landes abnahm, erwarb er sich nicht nur große Reichthümer, sondern zugleich die Freundschaft ganzer Völker und ihrer Beherrscher. Eben darum aber sollen die andern Könige ais Missgunst Krieg mit ihm angefangen haben. Dagegen erzählten einige alte Schriftsteller die Fabel, ein Orakel habe den Fürsten gesagt, wer von ihnen zuerst aus einer ehernen Schale dem Gott in Memphis das Trankopfer weihte, der sollte Herr von ganz Aegypten werden; nun habe Psammetich, da ein Priester aus dem Tempel zwölf golden Schalen brachte, seinen Heim abgenommen und daraus den Trank geopfert; seinen Mitkönigen sey das verdächtig gewesen; doch haben sie ihn lieber verbannen als tödten wollen, und ihm in den sumpfigen Gegenden am Meer seinen Aufenthalt angewiesen. Sey es nun, dass der Zwist auf diese Art entstanden, oder daß, wie gesagt, Missgunst die Veranlassung war; genug, Psammetich ließ Miethsoldaten aus Arabien, Karien und Ionien kommen, und siegte in einem Treffen bei der Stadt Momemphis. Die Könige, seine Gegner, kamen zum Theil in der Schlacht um, zum Theil wurden sie nach Libyen verjagt, wo sie nicht mehr im Stande waren, um die Herrschaft zu streiten.
Capitel 67 / Die Dodekarchie. Psammetich. Nachdem Psammetich König des ganzen Landes geworden war, so erbaute er dem Gott in Memphis eine Vorhalle gegen Osten, und um den Tempel eine Ringmauer, die auf zwölf Ellen hohen Colossen, statt auf Säulen ruhte. Den Miethsoldaten gab er außer dem versprochenen Gold ansehnliche Geschenke, wies ihnen die sogenannten "Lager" zum Wohnsitz an, und theilte ein großes Stück Landes unter sie aus, nicht weit oberhalb der Pelusischen Nilmündung. Lange Zeit nachher, unter dem König Amasis, mußten sie von da wegziehen und wurden nach Memphis versetzt. Weil Psammetich durch die Miethsoldaten die Herrschaft errungen hatte, so vertraute er seitdem ihnen vorzüglich als der Stütze seiner Gewalt, und hielt fortwährend eine große Zahl fremder Truppen, Bei einem Feldzug nach Syrien gab er den Miethsoldaten auch in der Schlachtordnung den Vorzug, und stellte sie auf die rechte Seite; die Einheimischen hingegen mußten in den weniger ehrenvollen Platz einrücken und den linken Flügel bilden. Entrüstet über diese Beschimpfung lehnten sich die Aegypter auf, und zogen, über 200.000 Mann stark, Aethiopien zu, in der Absicht, für sich ein eigenes Stück Landes zu gewinnen. Der König schickte zuerst einige der Anführer zu ihnen, um sich wegen der Zurücksetzung zu entschuldigen; da sie Diesen kein Gehör gaben, so folgte er selbst mit seinen Freunden zu Schiffe nach. Als sie aber am Nil hinauf immer weiter zogen, und über die Grenze von Aegypten gingen, so suchte er sie durch Bitten umzustimmen, und hieß die an die Tempel und die Heimath, auch an Weiber und Kinder denken. Alleine sie erklärten, Alle zusammenschreiend und mit den Spießen auf die Schilde schlagend, so lange sie noch im Besitz ihrer Waffen seyen, werden sie leicht eine Heimath finden, und (sie warfen zugleich das Unterkleid zurück und zeigten ihre Blöße) an Weibern und Kindern werde es ihnen, als Männer, nicht fehlen. Mit diesem hohen Muthe gerüstet, der sie verachten lehrte, was man sonst für die höchsten Güter hält, nahmen sie die beste Gegend von Aethiopien in Besitz, und theilten viele Ländereien unter sich aus, wo sie sich dann ansiedelten. Psammetich fühlte sich durch diesen Vorfall sehr gekränkt; nachdem er indessen die Ordnung in Aegypten hrgestellt, und in Betreff der Einkünfte Einrichtungen getroffen, schloß er auch ein Bündniß mit den Athenern und mit einigen anderen Griechischen Staaten. Er unterstützte auch die Fremden, welche freiwillig nach Aegypten auswanderten. Er war ein so eifriger Griechenfreund, daß er seine Söhne in Griechischer Wissenschaft unterrichten ließ. Ueberhaupt war er der Erste unter den Aegyptischen Königen, welcher den anderen Völkern die Handelsplätze des ganzen Landes öffnete, und den fremden Kauffahrern volle Sicherheit gewährte. Die frühen Beherrscher hatten nämlich Aegypten für Fremde unzugänglich gemacht, indem sie die Seefahrer entweder tödteten oder als Sclaven zurück behielten. Die Ungastlichkeit der Einwohner hat auch die Sagen der Griechen von der Grausamkeit des berüchtigten Busiris veranlaßt, die keine wahre Geschichte enthalten, sondern nur die Schilderung jenes höchst ungerechten Verfahrens in seiner fabelhaften Einkleidung.
Vier Menschenalter nach Psammetich regierte Apries 22 Jahre lang. Er unternahm mit ansehnlichen Heeren zu Land und zur See einen Kriegszug gegen Cypern und Phönicien. Sidon eroberte er mit Sturm, und dadurch geschreckt unterwarfen sich die andern Phönicischen Städte. Auch in einer großen Seeschlacht besiegte er die Phönicier und Cyprier, und kehrte mit Beute beladen nach Aegypten zurück. Darauf sandte er eine beträchtliche Macht aus seinem eigenen Lande gegen Cyrene und Barca aus; allein der größere Theil kam um, und die sich retten, wurden ihm abgeneigt. Sie empörten sich, weil sie meinten, er hätte bei diesem Feldzug die Absicht gehabt, sie zu verderben, damit er um so sicherer die übrigen Ägypter beherrschen könnte. Amasis, ein angesehener Aegypter, wurde vom König an sie abgeschickt; allein, statt seinem Auftrag gemäß zum Frieden zu rathen, reizte er den Widerwillen nur noch mehr; nahm Theil an der Empörung, und ließ sich zum König wählen. Als bald nachher auch die andern Eingebornen alle auf seine Seite traten, so war der König rathlos, und mußte zu den Miethsoldaten, deren es ungefähr 30.000 waren, seine Zuflucht nehmen. Es kam zum Treffen bei dem Dorfe Maria, und die Aegypter gewannen die Schlacht. Apries wurde als Gefangener weggebracht und erdrosselt. Amasis führte nun in der Staatsverwaltung die Ordnung ein, die er für zweckmäßig hielt, und machte sich durch seine gerechte Regierung bei den Aegyptern sehr beliebt. Er eroberte auch die Städte in Cypern. Viele Tempel schmückte er mit trefflichen Weihgeschenken. Nach einer 55 jährigen Regierung endigte er sein Leben um die Zeit, da der Perserkönig Cambyses Aegypten bekriegte, im dritten Jahr der drei und sechzigsten Olympiade, in welcher Parmenides von Carmarina Sieger auf der Rennbahn war [526 v. C.].
Capitel 69 / Sitten und Gesetze der Aegypter. Erfindungen. Wir haben jetzt die Geschichte der Aegyptischen Könige von den ältesten Zeiten bis zum Tode des Amasis ausführlich genug erzählt. Die folgenden Begebenheiten werden wir berichten wenn uns die Zeitordnung darauf führt. Jetzt aber wollen wir die Sitten der Aegypter der Hauptsache nach beschreiben, nämlich was am auffallendsten ist, und was den Lesern am nützlichsten werden kann. Es gibt viele alte Gebräuche in Aegypten, die nicht blos den Eingebornen werh sind, sondern auch bei den Griechen großen Beifall gefunden haben. Daher haben die berühmtesten Gelehrten eine Ehre Darin gesucht, nach Aegypten zu reisen, und mit den dortigen Gesetzen und Einrichtungen wegen ihrer Merkwürdigkeit sich bekannt zu machen. Denn, so schwer auch ehemals das Land, aus den vorhin angeführten Ursachen, für Fremde zugänglich war, so haben sie doch gewetteifert, es zu besuchen, im höchsten Alterthum Orpheus und der Dichter Homer; in den spätern Zeiten sehr Viele, namentlich Pythagoras von Samos und der Gesetzgeber Solon. Die Aegypter eignen sich die Erfindung der Buchstabenschrift und die erste Beobachtung der Gestirne zu; ferner die Erfindung der geometrischen Lehrsätze und der meisten Künste, auch die Einführung der besten Gesetze. Sie sagen, der deutlichste Beweis dafür sey das, daß in Aegypten über 4700 Jahre lang größtentheils einheimische Könige regiert haben, unter denen es das glücklichste Land auf der ganzen Welt gewesen sey; Das wäre nicht möglich gewesen; wenn die Einwohner nicht die trefflichsten Gesetze und Gebräuche gehabt und auf alle Wissenschaft ihren Fleiß gerichtet hätten. Wir übergehen die grundlosen Nachrichten Herodot's, und anderer Schriftsteller über die Aegyptische Geschichte, welche statt der Wahrheit lieber Wundermährchen und unterhaltende Dichtungen geben wollten; was hingegen die Aegyptischen Priester selbst in ihren Urkunden aufgezeichnet finden, Das wollen wir berichten, nachdem wir es mit Aufmerksamkeit geprüft haben.
Capitel 70 / Geschäfte der Könige Was für's erste die Lebensweise der Könige von Aegypten betrifft, so waren sie darin andern Alleinherrschern nicht gleichgestellt, welche unumschränkte Gewalt haben überall nach ihrer Willkühr zu handeln; sondern es war Alles in ihren öffentlichen Geschäften nicht nur, sondern auch in ihrem täglichen häuslichen Leben durch gesetzliche Vorschriften bestimmt. Zu ihrer Bedienung hatten sie keine Sclaven, weder gekaufte noch im Haus geborne, sondern lauter Söhne der vornehmsten Priester, die über zwanzig Jahre alt und die Gebildesten unter ihren Landsleuten waren. Es sollte jede unedle Handlung des Königs dadurch verhütet werden, daß er zu seiner körperlichen Pflege, die Edelsten Tag und Nacht beständig um sich hätte. Denn kein Fürst kann zu tief in Schlechtigkeit versinken, wenn er nicht willfährig Diener seiner Leidenschaften hat, wenn er nicht willfährige Diener seiner Leidenschaften hat. Es waren die Stunden des Tages und der Nacht ausgetheilt, in welchen der König alle einzelnen Geschäfte vorzunehmen hatte, nach der Bestimmung des Gesetzes, nicht nach seinem eigenen Gutdünken, Des Morgens, so bald er aufgestanden war, mußte er zuerst die Briefe empfangen, die von allen Seiten eingingen, damit er durch genaue Kenntniß von Allem, was in Staatsangelegenheiten vorgekommen, in den Stand gesetzt war, überall den richtigen Bescheid zu geben. Dann mußte er sich baden, und mit den Zeichen der Königsgewalt und einem weissen Gewande sich schmücken, und den Göttern opfern. Es war gebräuchlich, daß der Oberpriester, wenn die Schlachtopfer zum Altar geführt waren, neben den König sich stellte, und mit lauter Stimme vor dem versammelten Volk der Aegypter betete, daß Gesundheit und alle andern Güter dem König verliehen würden, wenn er seine Verpflichtungen gegen die Unterthanen erfüllte. Dagegen mußten auch seine Tugenden namentlich aufgezählt, und gesagt werden, er sey gottesfürchtig und sehr menschenfreundlich, mäßig gerecht und edelgesinnt; ferner, er scheue die Lügen und theile gerne mit; überhaupt sey er über jede Leidenschaft erhaben; wenn er Vergehungen ahnde, so sey die Strafe geringer als die Schuld, und wenn er Wohlthaten vergelte, so übersteige die Belohnung das Verdienst. Noch viel Anderes dieser Art führte der Betende an, und zuletzt sprach er den Fluch über die Sünden der Unwissenheit, indem er jede Anklage gegen den König selbst abschnitt, aber Die, welche ihm zum Bösen gerathen und geholfen, für den Schaden, den sie dadurch gestiftet, verantwortlich machte. Diese Handlung hatte den Zweck, den König zu einem frommen und Gott gefälligen Wandel zu ermuntern, und ihn zugleich an ein geregeltes Betragen zu gewöhnen, nicht durch erbitternde Mahnungen, sondern durch verbindliche Lobsprüche, die namentlich seine Tugend rühmten. Wenn hierauf der König das Opfer beschaut und eine glückliche Bedeutung darin gefunden hatte, so las unterdessen der Tempelkanzler [Priester-Schriftgelehrter] nützlich Rathschläge und Handlungen der ausgezeichnetsten Männer aus den heiligen Büchern vor; damit die Gedanken des Fürsten, der alle Gewalt in Händen hatte, auf die edelsten Bestrebungen gelenkt würden, während er mit den vorgeschriebenen einzelnen Verrichtungen zu thun hätte. Denn nicht blos für öffentliche Geschäfte und Gerichte war eine Zeit bestimmt, sondern auch für den Spaziergang, das Bad, den ehelichen Beischlaf, überhaupt für alle Verrichtungen des Lebens. Die Kost für die Könige mußte ganz einfach seyn; blos Kalbfleisch und Gänse kamen au ihren Tisch; und Wein tranken sie nicht über ein bestimmtes Maß, so daß Ueberfüllung und Trunkenheit nicht möglich war. Ueberhaupt war die ganze Lebensweise so gleichförmig angeordnet, daß man glauben sollte, sie wäre nicht von einem Gesetzgeber vorgeschrieben, sondern von dem geschicktesten Arzte nach Gesundheitsregeln berechnet. |