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Nubien - Land am Nil

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Geographika


Strabon von Amaseia

Strabons Erdbeschreibung


übersetzt von:
Christoph Gottlieb Groskurd

digitalisiert von:
Thomas Becker


Siebenzehntes Buch
Zweiter Abschnitt

Berlin und Stettin 1833

Verlag der Nicolaischen Buchhandlung in Berlin.


Vorwort

Strabon (Strabo), der griechische Historiker und Geograph, wurde 63 v. Chr. in Amaseia geboren. Seine Studienreisen führten ihn nach Armenien, Syrien, Ägypten, ans Rote Meer und bis an die Grenze des Sudan. Eines seiner Werke ist die "Geographika" die beinahe vollständig überliefert ist. In 17 Büchern behandelt Strabon die Grundlagen der wissenschaftlichen Geographie und gibt historische, ethnographische und mythologische Beschreibungen der damals bekannten Länder. Besondere Faszination übt vor allem die Beschreibung des Lebens vor gut 2000 Jahren aus. Neben seinen eigenen Beobachtungen stützte sich Strabon auf ältere geographische Werke und auch auf Berichte von Zeitgenossen. Er dürfte um 26 nach Christus gestorben sein.

Das siebzehnte Buch, in drei Anschnitten, beschäftigt sich im Ersten mit Ägypten und im Zweiten mit Äthiopien (griech. für Nubien). Der Dritte befasst sich mit Mauretanien, Karthago und Kyrene. Ich habe die Rechtschreibung bewusst nicht bearbeitet und im Original von 1833 belassen. Was in Klammern [ ] eingeschlossen ist, sind Zusätze oder Erläuterungen, die nicht im Texte stehen. In der antiken Geschichtsschreibung gebrauchten die Griechen für Nubien den Namen Äthiopien.

 

Inhalt des zweiten Abschnitts

Aethiopien

Kurze Nachricht von den Aethiopen, ihrem Priesterreiche zu Meroe und ihren Sitten; dann noch Einiges über Aegypten.

 

§ 1

Die Aethiopen, Bewohner der heissen Zone, führen ein eben so armseliges Leben, als die Bewohner der kalten; und wie die Menschen sind, so die Thiere.

Manches von den Aethiopischen Völkern wurde schon in frühren Vorträgen erzählt, so dass zugleich mit Aigyptos auch Diese durchwandert sein können. Ueberhaupt aber müssen die dem ungemässigten und wegen Hitze oder Kälte unbewohnten Erdgürtel anliegenden Enden der bewohnten Welt Entartungen und Verschlechterungen des gemässigten Erdgürtels sein. Diese erkennt man aus dem Leben der Bewohner und ihrem Mangel an allem menschlichen Bedarf. Daher [auch die Aethiopen] kümmerlich und grösstenteils nackt und als Wanderhirten; ihr Zuchtvieh ist klein, Schafe und Ziegen und Kühe; auch die Hunde sind klein, aber beissig und wehrhaft; [aber auch selbst die] Bewohner sind klein. Vielleicht auch sind vom kleinen Wuchse dieser Menschen die Pygmaien erdacht und gefabelt; denn keiner der glaubwürdigen Männer behauptet sie gesehen zu haben.

 

§ 2

Nahrung und Lebensweise der Aethiopen in Meroe, der Insel und Stadt. Beschreibung der Insel, nebst einigen ihrer Erzeugnisse.

Die Aethiopen leben von Hirse und Gerste, von beiden sich auch Getränk bereitend. Statt des Oels haben sie Butter und Talg. Auch Baumfrüchte haben sie nicht, ausser Datteln in den königlichen Gärten. Einige essen auch Kraut, zarte Sprossen, Lotos und Rohrwurzeln; aber auch Fleisch, Blut, Milch und Käse. Als Götter verehren sie ihre Könige, welche zumeist wie Haushüter eingeschlossen sind. Ihr grösster Königssitz ist der Insel gleichnamige Stadt Meroe. Die Insel, sagt man, gleiche in Gestaltung einem Schilde; ihre Grösse wird vielleicht mit Uebertreibung angegeben, in Länge zu etwa dreitausend Stadien, in Breite zu tausend. Sie enthält auch viele Berge und grosse Wälder. Die Bewohner sind theils Wanderhirten, theils Jäger, theils Feldbauern. Auch sind dort Kupfergruben, auch Eisen- und Goldgruben, auch [verschiedene] Arten kostbarer Steine. Von Libye ist sie durch grösse Sanddünen abgeschlossen, von Arabia durch zusammenhängende Bergwände; oberhalb im Süden durch die Umfassung der Ströme des Neilos weiterer Stromlauf bis gen Aigyptos in der früher erwähnten Krümme des Flusses. In den Städten bestehen die Wohnhäuser aus zusammengeflochtenen Palmscheiten und Wänden aus Backstein. Das Salz wird gegraben, wie bei den Araben. Von Bäumen ist die Palme häufig und die Perséa oder Aigyptische Mandel, auch der Ebenholzbaum und Johannisbrodbaum. Die Jagt geht auf Elefanten, Löwen und Parder; auch mit Elefanten kämpfende Schlangen gibt es, und viele andere Thiere; denn diese entfliehen aus den heisseren und dürreren Gegenden in die feuchten und sumpfigen.

 

§ 3

Der See Psebo. Sitten und Lebensweise der Aethiopen; Waffen, Götter, Todtenbehandlung, Verfassung unter Königen und Priestern.

Ueber Meroe liegt der grosse eine ziemlich bewohnte Insel enthaltende See Psebo. Da des Neilos westliche Stromseite die Libyer, die jenseitige aber die Aethiopen besitzen, so erfolgt, dass der Inseln und des Uferlandes Beherrschung zwischen Beiden wechselt, indem die Einen vertrieben den andren Stärkeren weichen. Die Aethiopen bedienen sich auch vierelliger hölzerner und angeglühter Bogen. Sie bewaffnen auch ihre Weiber, deren die meisten ihrer Mundlippe einen kupfernen Ring eingehängt haben. Da sie der Wolle entbehren, weil die Schafe ziegenhaarig sind, so tragen sie Felle; Einige gehen auch nackt, oder umgürten sich mit kleinen Fellen, oder mit schön gewebten härenen Geflecht.

Als Götter erkennen sie zuvörderst einen unsterblichen, welcher aller Dinge Urheber sei; dann einen sterblichen, aber namenlosen und nicht bekannten. Sehr allgemein auch achten sie ihre Wohltäter und Könige für Götter, und zwar die Könige als allgemeine Erhalter und Beschützer Aller, die Bürgersmänner hingegen als besondere Götter derer, welche von ihnen Gutes erlitten; Einige aber der neben dem verbrannten Erdgürtel wohnenden werden auch für götterlos gehalten, sintemal sie sogar die Sonne hassen, und dieselbe, wenn sie ihren Aufgang erblicken, verwünschen, weil sie brenne und gegen sie kriege, wesshalb sie in die Sümpfe fliehen. In Meroe aber verehren sie ausser einem anderen barbarischen Gotte auch Herakles, Pan und Isis. Die Todten werfen einige in den Fluss, Andere überziehen sie mit Krystall und behalten sie zu Hause; noch Andere begraben sie in thönernen Särgen rings um den Tempel. Den Schwur bei den Todten fordern und heiligen sie unter allen am meisten.

Zu Königen erwählen sie die durch Schönheit oder Geschicklichkeit in Viehzucht, oder durch Tapferkeit oder Reichtum Ausgezeichneten. In Meroe behaupten vor Alters den höchsten Rang die Priester; sie übersandten sogar zuweilen dem Könige durch Boten den Befehl zu sterben, und bestellten statt seiner einen andern. Späterhin aber vernichtete diese Sitte einer der Könige, welcher mit Waffen in das Heiligthum, wo der goldene Tempel ist, eindringend alle Priester niedermachte. Auch folgendes ist Aethiopische Sitte: Wenn ein König an irgend einem Theile des Leibes irgendwie verstümmelt wird, so erleiden die ihn zunächst Umgebenden dieselbe Verstümmelung, ja eben diese sterben auch mit ihm; sie nehmen aber den König in ihre sorgfältigeste Obhut. Dieses wird über die Aethiopen genügen.

 

§ 4

Erwähnung einiger in Aegypten einheimischen Pflanzen und Thiere, namentlich einiger Nilfische; dann der Ichneumon, die Aegyptische Otter, der Sperber und Ibis.

Den Aigyptischen Merkwürdigkeiten aber muss ich noch folgende eigenthümliche beifügen, wie die Aigyptische Bohne, von welcher die Trinkbecher, und die Papierstaude, welche nur hier und bei den Indern wächst; die Perséa oder Aigyptische Mandel, aber nur hier und bei den Aethiopen, ein grosser süsse und grosse Frucht tragender Baum; dann jener Maulbeer, welcher die so genannte Frucht Sykomoron oder Feigenmaulbeere trägt; denn sie gleicht einer Feige, ist aber wenig geachtet zur Verspeisung. Auch das Korsion wächst dort, eine dem Pfeffer ähnliche Naschfrucht, aber etwas grösser.

Fische gibt es im Neilos viele und verschiedene mit eigenthümlichem und gleichsam einheimischen Gepräge; die bekanntesten aber sind die Oxyrynchos oder Stör, der Lepidotos oder Schuppenfisch, der Latos, der Alabes oder Schlangenwels, der Korakinos, der Choiros, d. i. Ferkel, der Phagrorios, auch Phagros genannt; imgleichen der Wels, der Kitharios oder Lachsscholle, die Alse und Meeräsche, der Lychnos oder Leuchter, die Physa oder Blase, der Bús oder Ochs; von Schalthieren grosse Windelschnecken, welche eine dem Froschgheul ähnliche Stimme hören lassen.

Einheimische Thiere sind ferner der Ichneumon und die Aigyptische Otter, welche gegen die Ottern anderer Länder etwas Eigenes hat; sie ist aber zwiefach, die eine spannenlang, welche auch schneller tödtet, die andere fast klafterlang, wie auch Nikandros sagt, welcher die Theriaka, d. i. die Giftthiere, geschrieben hat; unter den Vögeln der Ibis und der Aigyptische Sperber; denn er ist zahmer, als der Sperber anderer Länder, wie gleichfalls die Katze. Auch der Nachtrabe ist hier eigenartig; denn bei uns hat er die Grösse des Adlers und rauhe Stimme, in Aigyptos hingegen die Grösse einer Krähe und abweichende Stimme. Der zahmeste aber ist der in Gestalt und Grösse dem Storche ähnliche Ibis; zwiefach aber in Farbe, eine Art wie der Storch, die andere ganz schwarz. Alle Strassen in Alexandreia sind dieser Vögel voll, einerseits zu Nutzen, andrerseits zu Schaden; zu Nutzen, weil sie jedes Kriechthier wegsammeln, und allen Schmutzabfall der Fleischbänke und Fischmärkte; zu Schaden hingegen, weil sie allgefrässig sind und unrein, und schwer abzuhalten vom Reinen und mit aller Beschmutzung unverträglich.

 

§ 5

Noch eingige Aegyptische Erzeugnisse und Sitten, besonders die Beschneidung beider Geschlechter. Nur wenige Fische gehen in den Nil aufwärts wegen der Krokodile; doch einige, und welche, und aus welchen Ursachen.

Wahr ist auch des Herodotos Nachricht, dass es Aigyptische Sitte ist, den Lehm mit den Händen, hingegen den Teig zum Brodbacken mit Füssen zu kneten. Auch der Kakes, eine eigene Art Brod, ein Hemmungsmittel des Durchfalls, ist Aigyptisch; auch das Kiki oder der Wunderstrauch, eine auf Feldern ausgesäete Frucht, aus welcher Oel gepresst wird, theils in die Lampe für fast alle Bewohner des Landes, theils zu Salbe für die Aermeren und Arbeitsleute, sowohl Männer als Weiber; auch die Kukina sind Aigyptische Geflechte von einer gewissen Pflanze, und gleichen dem Binsen- und Palmengeflecht. Das Gerstenbier wird bei den Aigyptern zwar nach eigener Weise bereitet, es ist aber vielen Völkern gemein; auch ist bei jedem die Zubereitung verschieden. Auch Dieses ist eine ihrer sorgfältigsten Bestrebungen, die geborenen Kinder alle aufzuziehen; auch das Beschneiden, und das Anschneiden der Mädchen, welches auch den Iudaiern gebräuchlich ist; denn auch Diese sind, wie wir schon in ihrer Darstellung erwähnten, ursprünglich Aigypter.

Aristobulos sagt, kein Fisch gehe aus dem Meere den Neilos hinauf, ausser der Meeräsche, der Alse und dem Delfin, wegen der Krokodile. Die Delfine, weil sie stärker seien; die Meeräschen, weil sie am Lande, zufolge einer natürlichen Zuneigung, vom Choiros begleitet werden; des Choiros aber enthalten sich die Krokodile, weil er rund sei, und auf dem Kopfe Stacheln habe, welche diesen Thieren Gefahr bewirken. Im Frühling also steigen die den Laich enthaltenden Meeräschen hinhauf, aber kurz vor Untergang der Pleias, wann sie laichen wollen, streichen sie scharenweise hinab; dann geschiht ihr Fang, indem sie scharenweise in die Einfassungen einlaufen. Man darf vermuthen, dass auch bei der Alse eine ähnliche Ursache stattfindet. Dieses genüge auch über Aigyptos.

 


Den ersten Abschnitt über Ägypten gibt's bei den Kollegen.

http://www.chufu.de/Strabon/strabon.html